BAC TSR.2

Die BAC TSR.2 mit ihrer eigenartigen Bezeichnung hatte ebenso wie die anglo-französische Concorde eine äußerst bewegte und von politischen Einflüssen bestimmte Entwicklungsgeschichte. Beide Modelle stellen zugleich aber auch brillante Errungenschaften der britischen Luftfahrtindustrie dar, und die für die TSR.2 durchgeführten Entwicklungs- und Forschungsarbeiten waren ebenso wie die für diesen Typ entwickelten Turbojet-Motoren für den technischen Erfolg der Concorde SST von großer Bedeutung. In den frühen 1950er Jahren warenzahlreiche Versuche gemacht worden, die technischen Daten für ein Flugzeug zusammenzustellen, das die English Electric Canberra bei der RAF ersetzen sollte. Dies erwies sich bis Ende 1955 als noch dringlicher, und eine Entscheidung ließ sich nicht länger aufschieben. Im Jahre 1956 fanden zahlreiche Diskussionen und Untersuchungen statt, und erst gegen Ende des Jahres 1957 wurde GOR.339 (General Operational Requirement) herausgegeben - die allgemeinen Bedingungen für ein neues Flugzeug für die RAF. Die Reaktion auf diese Spezifikation, ein Entwurf eines Teams mit Mitarbeitern der Firmen English Electric aus Preston, Lincolnshire, und Vickers-Armstrong aus Weybridge, Surrey, war vielversprechend, und am 1. Januar 1959 wurde bekanntgegeben, dass man beschlossen habe, die Entwicklung der TSR.2 in Angriff zu nehmen. Bald darauf wurde OR.343 (Operational Requirement), die Spezifikation des allgemeinen Waffensystems, herausgegeben. Gefordert wurde ein System für Allwetter-Operationen bei hoher Geschwindigkeit in großer oder geringer Flughöhe für taktische Kampf- und Aufklärungsaufgaben (TSR = Tactical Strike/Reconnaissance). Die Nutzlast und Reichweite der TSR.2 hatte aus dem Modell außerdem eine wichtige strategische Waffe gemacht. English Electric und Vickers-Armstrong wurden später zu Abteilungen der British Aircraft Corporation, deren gemeinsames Projektteam an den Schwierigkeiten eines Modells arbeitete, das einen Riesensprung vorwärts in der Entwicklung von Flugwerk, Avionik, Motoren und technischer Ausrüstung darstellte. Die bei dem Bau benutzten Materialien waren u.a. Legierungen aus Aluminium und Kupfer für Teile des Flugwerks mit niedrigen Temperaturen, Legierungen aus Aluminium und Lithium für die starker kinetischer Temperaturerhöhung ausgesetzten Flächen, Titanium-Legierungen für Teile in unmittelbarer Nähe der Motoren und extrem dehnbarer Stahl für das Fahrwerk. 

BAC TSR.2 (Duxford 2004)

Die TSR.2 war ein Schulterdecker mit minimaler Luftströmung über einem ungewöhnlichen Leitwerk. Daher hatten auch die Tragflächen (Deltaflügel mit einem Pfeilwinkel von 60°) weder eine negative noch eine positive V-Stellung; die Querstabilität wurde durch heruntergebogene Flügelspitzen gewährleistet, die über die Spannweite der Höhenflosse hinausragten. Bei den Tragflächen fehlten außerdem Querruder, Grenzschichtzäune, Vorflügel und Schlitze; stattdessen gab es nur breite, angeblasene Klappen für eine fast unglaubliche Startleistung auf kurzen Bahnen. Im Rumpf saßen der Pilot und der Navigator auf Martin-Baker Tandem-Schleudersitzen; zwischen Tragflächen und Heckteil waren zu beiden Seiten Luftbremsen angebracht, und der Antrieb bestand aus zwei Bristol Siddeley Olympus 320 Turbojet-Motoren. Die speziell entwickelte Avionik hätte der TSR.2 bisher unerreichte Einsatzmöglichkeiten gegeben: ein Bordcomputer für die Aufnahme von Informationen aus einem Flugdatensystem, eine Trägheitsplattform und vorwärts und seitwärts gerichtetes Radar. Der somit ständig auf dem laufenden gehaltene Computer gab Positions- und Steuerungsdaten für den Piloten an eine projizierte Frontscheibenanzeige (HUD), für den Navigator an die Instrumentenanzeige und an den Autopiloten sowie an das Ziel- und Auslösesystem weiter. Die zahlreichen Radargeräte umfassten auch ein Terrain-Folgesystem; und im Fall eines totalen Systemausfalls würden diese das Flugzeug automatisch auf einen Anstiegskurs bringen.

Roland P. Beamont unternahm mit dem Prototyp TSR.2 (XR219) am 27. September 1964 einen ersten erfolgreichen Flug von 14 Minuten Dauer über dem Aircraft & Armament Experimental Establishment in Boscombe Down. Dieser Prototyp war der einzige von vier fertiggestellten Exemplaren, der überhauptfliegen sollte, und brachte es auf insgesamt 13 Stunden und 9 Minuten Flugzeit, bevor am 6. April 1965 bekanntgegeben wurde, dass das gesamte TSR.2-Programm, die Herstellung von 49 Flugzeugen, abgebrochen wird. Dies war nicht das Ergebnis technischen Versagens, sondern hatte seine Ursachen in den steigenden Kosten und politischen Ambitionen, die sich als wirksamer erwiesen. Wie die Concorde, hatte auch die TSR.2 Anhänger und Gegner.

Beamont kannte das Modell besser als die meisten Experten und hatte die Leistungsfähigkeit des Terrain-Folge-Radars (TFS) schätzen gelernt, das Flüge in Baumgipfelhöhe mit bisher unerreichter Geschwindigkeit ermöglichte und absolute Sicherheit gewährleistete. Er hielt das Modell für eine der bemerkenswertesten Konstruktionen in der Geschichte der Luftfahrt und bezeichnete das Ende des Projekts als schweren Verlust für die RAF.

Technische Daten

Typ: ein zweisitziges Kampfflugzeug/Aufklärer.

Triebwerk: zwei 13.884 kp Bristol Siddeley Olympus 320 Turbojet-Motoren mit je 14.969 kp Schub.

Leistung (gemessen im November 1962):

Höchstgeschwindigkeit Mach 2,25 oder 2.390 km/h;

max. Reisegeschwindigkeit Mach 1,1 oder 1.345km/h in 61 m Höhe oder Mach 2,05 bzw. 2.181 km/h über 1.095 m;

Anfangssteiggeschwindigkeit 15.240m/min;

Einsatzgipfelhöhe 16.460 m;

Kampfaktionsradius mit 907 kg Bombenladung bei Hochflugeinsatz 1.851 km oder bei Tiefflugeinsatz 1.297 km; max.

Reichweite 6.840 km.

Gewicht: durchschnittliches Einsatzstartgewicht 36.387 kg;

max. Startgewicht 43.545 kg.

Abmessungen:

Spannweite 11,28 m; Länge 27,13 m; Höhe 7,32 m;

Tragflügelfläche 65,03 m².

Bewaffnung (geplant): bis zu 2.722kg konventionelle oder Atomwaffen in einer Bordstation plus bis zu 1.814kg Bomben, Raketenpods oder Abwurfbehälter an vier Unterflügelpylonen.

 

BAC  TSR. 2  (Cosford)
Die XR220 ist nicht geflogen, sehr gut im Hintergrund die Saunders-Roe SR.53 zu sehen

Zurück 

Weiter