Hamburger Flugzeugbau GmbH HFB 320 Hansa Jet
Ab dem 31. August 1976 besaß die Luftwaffe der Bundeswehr eigene Sonderflugzeuge für die ECCM-Ausbildung (Electronic Counter Counter Measures = Elektronische Schutzmaßnahmen), eine Aufgabe, die bis zu diesem Zeitpunkt von den amerikanischen, englischen und italienischen NATO-Partnern für die Bundeswehr durchgeführt wurde und somit nur eine Übergangslösung darstellte. Die Amerikaner hatten anfangs noch die alten EC-47 und EB-66 im Einsatz, die später von modernerem Fluggerät, wie T-39, EA-6B und EP-SE, für ihre Störflüge gegen Radaranlagen der Luftverteidigung eingesetzt wurden.
Die Engländer benutzen dafür hauptsächlich die Canberra T.Mk.17 (ca. 20 Flugzeuge) und die Italiener einige Piaggio PD-808 ECM. Die zuletzt genannte Type war sicherlich bei der Suche nach einem geeigneten Flugzeug für die Bundesluftwaffe ausschlaggebend, als die Wahl schließlich auf die HFB 320 Hansa vom Hamburger Flugzeugbau der Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH fiel. Umfangreiche Systemuntersuchungen des Hansa Jet für verschiedene militärische Sonderaufgaben wurden Ende 1967 dem BMVg vorgelegt.
Zu dieser Zeit waren bereits sechs Hansa Jets bei der Flugbereitschaft des BMVg sowie zwei Flugzeuge bei der Erprobungsstelle E-61 der Bundeswehr in Manching im Einsatz. Elf bis dreizehn weitere Hansa Jet waren als Nachfolgemuster für die 14 veralteten C-47 D und 10 Pembroke Mk.54 im Gespräch, die bei der Flugvermessungsstaffel des FernmeIde-Lehr-und Versuchsregiments 61 in Lagerlechfeld zur Flugvermessung von Boden-Funknavigationshilfen und Flugsicherungs-Anlagen der Bundeswehr eingesetzt wurden. Die Beschaffung von vier Sonderflugzeugen für die ECCM-Ausbildung konnte aufgrund der im Frühjahr 1968 positiv verlaufenen Flugerprobungen realisiert werden, welche nach damaliger Aufgabenstellungen in Lagerlechfeld stationiert wurden.
Die HFB 320. ECM unterschied sich schon rein äußerlich von der Hansa-Grundversion. Infolge ihrer Aufgabenstellung musste eine Vielzahl von Antennen, mit möglichst Rundum-AbstrahIungs-Diagrammen, für das mehrere Bänder überdeckende ECM-System untergebracht werden, die dann anstelle des Wetterradars unter einem besonderen Radom am Rumpfbug sowie anstelle des Bremsschirmes am Heck und unter einem Ieicht nach links versetzten Radom am hinteren unteren Rumpfangeordnet worden sind. Dadurch erhielt das Flugzeug sein eigenartiges aber unverkennbares Aussehen. Doch nicht nur diese Merkmale allein wichen von der Grundversion ab, sondern auch die Avionik-und Cockpitausrüstung, die dem Luftwaffen-Standard angeglichen war, ebenfalls auch die Triebwerke, die durch die leistungsstärkeren General Electric CJ610-9, mit einem Schub von je 1406 kp, ersetzt wurden.
Die Besatzung der HFB 320. ECM bestand aus zwei Flugzeugführern und drei EIoKa-Spezialisten, (einem Koordinator und zwei Störfunkern). Die Arbeitsplätze dieser Spezialisten befanden sich in der abgedunkelten Flugzeugkabine nebeneinander, quer zur Flugrichtung angeordnet. Ihre Hauptaufgabe war es, mit Hilfe von Störflügen das Betriebspersonal der Luftverteidigungs-und Flugabwehr-Raketenstellungen an die Arbeit unter EIoKa-Störbedingungen zu gewöhnen und die Ausbildung durch Anwendung elektronischer Schutzmaßnahmen wirklichkeitsnah zu gestalten.
Das galt auch für die Besatzungen der in der Luftverteidigung eingesetzten fliegenden Waffensysteme. Darüber hinaus waren die Störfunker in der Lage, Radarsignale aufzuspüren, zu analysieren, die geortete Quelle zu identifizieren und sie dann durch die Anwendung von elektronischen Störmaßnahmen wirkungslos zu machen. Diese Arbeit erforderte schnelles Handeln, und ihr Erfolg war weitgehend vom Können der Störfunker abhängig. Des Weiteren wollte die Luftwaffe mit diesen Flugzeugen Erfahrungen für künftige EloKa-Einsatzmittel sammeln und die Anfälligkeit der ECM-Gerätschaften bestehender bzw. geplanter Radargeräte testen. Zusätzliche Einsatzaufgaben waren auch die Kalibrierung von Radargeräten der Luftverteidigung, wie die Luftraumüberwachungsradars der NADGE-Kette, NIKE, HAWK und des TMD sowie die Überprüfung ihrer Leistungsdaten. Ferner sollten mit den Flugzeugen Radaranlagen vermessen werden, um nach der Erst-Aufstellung sowie nach einer Grundüberholung der Geräte, die genauen Abstrahlungsdiagramme zu ermitteln. Zur Erfüllung dieser Aufgaben errechnete die Luftwaffe einen jährlichen Flugstundenbedarf von ca. 18000 Stunden, was ungefähr 37 Flugstunden pro Flugzeug und Monat entsprach.
Von dem Beschaffungsvolumen in Höhe von DM 125 Mio. für die vier Flugzeuge entfielen nahezu DM 50 Mio. auf die elektronischen Sonderausrüstungen, die von der italienischen Firma Elettronica S.p.A. geIiefert wurden.
Besatzung 2 (ECM: 5)
Passagiere 12 (ECM: 0)
Länge 16,61 m
Spannweite 14,49 m
Höhe 4,94 m
Kabinenlänge 4,58 m
max. Kabinenbreite 1,90 m
max. Kabinenhöhe 1,74 m
Nutzlast 1200 kg
Leermasse 5000 kg
Startmasse (je nach Version) 8500 kg / 9200 kg / 9600 kg
Reisegeschwindigkeit 819 km/h
Höchstgeschwindigkeit Mach 0,83
Dienstgipfelhöhe 11.600 m
Reichweite max. 2370 km (1455 km mit 12 Passagieren, 2320 km mit 4 Passagieren)
Triebwerke 2x General Electric CJ 610-1/5/9 mit je 12–13 kN Schub